Der Internationale Frauentag wird jedes Jahr am 8. März gefeiert. Einige schätzen den historischen Wert dieses besonderen Tages sehr und finden daher, dass er unbedingt in Erinnerung bleiben muss; andere behaupten, dass jeder Tag Frauentag sein sollte und es daher keinen speziellen, den Frauen gewidmeten Tag brauche. Und dann gibt’s noch einige, die ihn als reinen Kommerz sehen, ein bisschen wie den Valentinstag. Wir haben uns zu diesem Thema mit der Grafenauerin Jessica Wittmann-Naun unterhalten, die als Freie Journalistin unter anderem auch für das PiG Stadtmagazin schreibt.
Jessy, was bedeutet der Internationale Frauentag für Dich?
Als Frau finde ich es schön, dass wir an diesem Tag gefeiert werden. Historisch gesehen ist er natürlich auch wichtig, um auf Errungenschaften wie das Wahlrecht zurückzublicken. Leider ist er inzwischen aber auch sehr kommerzialisiert und wird von Unternehmen für das eigene Marketing instrumentalisiert. Das wirkt dann schnell unauthentisch. Ich finde, wir sind das ganze Jahr über toll und brauchen keinen Anlass, um uns zu feiern und gegenseitig zu unterstützen.
Wer hat dich am meisten inspiriert oder tut es auch heute noch?
Ich denke heute noch an meinen Abi-Deutschlehrer Herr Bentz zurück. Er hat mich dazu inspiriert, Germanistik zu studieren und mich mit seiner Begeisterung für Literatur und Philosophie angesteckt. Als wir mal über Brechts „das Leben des Galilei“ sprachen, meinte er: „Die Menschen sind nicht dumm, nur weniger aufgeklärt“. An diesen Satz denke ich heute noch, wenn es um die Macht der Sprache geht. Heute inspirieren mich andere Frauen, aber auch meine Eltern. Sie haben beide immer hart gearbeitet und mir ein Studium ermöglicht, trotz finanzieller Herausforderungen.
Was ist das Beste daran, in heutigen Zeiten eine Frau zu sein?
Dass wir trotz einiger Defizite doch ein sehr freies und selbstbestimmtes Leben führen können. Beruflich und privat stehen uns so viele Türen offen. Leider ist das aber nicht in allen Ländern und Kulturkreisen so.
Welches ist denn das gefährlichste Stereotyp für Frauen?
Vielleicht, dass wir Frauen untereinander „zickig“ oder „stutenbissig“ sind. Klar, kommt das vor. aber ich finde es falsch, Charaktereigenschaften pauschal einem Geschlecht zuzuordnen. Kein Mensch würde von einem „zickigen Mann“ sprechen. Da wären wir wieder bei der Macht der Sprache.
Wie steht es Deiner Meinung nach um die Gleichstellung der Geschlechter? Wo siehst Du noch Handlungsbedarf?
Ich glaube, wir sind da schon ganz gut aufgestellt. Das Thema faire Bezahlung ist natürlich immer noch wichtig und hier gibt es noch viel zu tun. Aber auch wenn es um banale Alltagsprobleme geht. Das mag jetzt lächerlich klingen, aber ich plädiere schon lange dafür, dass es immer doppelt so viele Frauen- wie Männertoiletten geben sollte. Wie viel Zeit ich schon in Warteschlangen verbracht habe!
Wovor wärst du als Frau gerne gewarnt worden?
Ich wurde durch meine Eltern sehr offen und selbstbestimmt erzogen und fühlte mich daher für alles gewappnet. Den Rest hat mich das Leben gelehrt. Ich denke, als Frau musste ich nicht mehr negative Lebenserfahrungen machen als ein Mann.
Welchen Rat würdest du den jungen Mädchen, den Frauen der Zukunft, mit auf den Weg geben?
Es ist toll eine Frau zu sein. Lass dir nicht sagen, wie du dich als Mädchen oder Frau zu verhalten hast. Und ganz wichtig: Selbstbewusstsein muss nicht immer laut sein. Ich zähle mich zum Beispiel zu den eher Introvertierten und habe mir eine erfolgreiche Selbstständigkeit aufgebaut. Ich finde, stille und schüchterne Menschen, gerade Frauen, werden oft als „Optimierungsobjekt“ gesehen. Den Begriff „Powerfrau“ kann ich deswegen auch nicht mehr hören. Stärke kann auch sanft und leise sein.
Interview: Edip Zvizdiç
Die Kolumne erschien erstmalig im März 2022 im PiG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen
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