Einige TV-Formate übertreffen sich jedes Jahr in ihrer Fragwürdigkeit. Während „Trash-TV“ als stille Beobachterin unterhaltsam sein kann, drängt sich die Frage auf: Wieso tut man sich das als Kandidatin an? Auf den ersten Blick ist die Show „Der Bachelor“ eine Ansammlung von mediengeilen Instagram-Models und eine Schande für die emanzipierte Frau. Oder machen wir es uns mit so einer Verurteilung zu einfach?
Zwischen Fremdscham und Ratlosigkeit: Die Mittwochabende sind manchmal hart
Ich stehe dazu, dass ich mir gerne Sendungen wie „Der Bachelor“ anschaue und obwohl ich dafür meistens nur ein Naserümpfen ernte, stelle ich im Gespräch auch oft fest: Viele intelligente und ja sehr wohl moderne, emanzipierte Frauen tun es mir gleich. Bei der Frage nach dem Warum kann ich nur sagen: Weil es leichte Kost ist und Trash-TV nun mal einfach so schön unterhaltsam sein kann.
Für zwei Stunden den Kopf ausschalten und in einen Mix aus Likör-Dauerwebesendung, Zickenkrieg und utopischen Settings für Dates eintauchen – mich entspannt das.
Doch was als Zuschauerin aus sicherer Entfernung lustig ist, wäre für mich als Kandidatin undenkbar. Während ich beobachte, wie sich dort erwachsene Frauen einen Wettkampf um den „Bätscheler“ liefern, frage ich mich schon: Warum macht man da als Frau mit? Allein mein Stolz würde es mir verbieten, auf einem Gruppendate mit anderen Frauen um einen Typen zu buhlen – und wenn es Chris Hemsworth höchstpersönlich wäre. Die naheliegendste und leider auch meistens richtige Antwort ist die Suche nach Ruhm, für den erschreckend viele bereit sind, einen hohen Preis zu zahlen. Einige Ex-Kandidatinnen haben es vorgemacht: Mit der richtigen Strategie kann man sich die Teilnahme im Nachgang vergolden und zwar auch ohne als Siegerin aus der Staffel hervorgegangen zu sein. Neben „Instagram Fame“ locken Folge-Angebote wie „Bachelor in Paradise“, die Königin des Trash-TV „Ich bin ein Star, holt‘ mich hier raus“ oder auch der lukrative Playboy-Deal. Hier sprechen wir je nach Verhandlungsgeschick und findigem Manager oft von fünfstelligen Beträgen. Natürlich werden die Frauen dennoch nicht müde, bei jeder Gelegenheit zu betonen, dass es ihnen um die „wahre Liebe“ geht.
Muss man seinen Traummann wirklich vor der Kamera suchen und sich dabei wie ein Harem in einer Villa halten lassen? Als Marionette des TV-Senders, der für die Quote an den Fäden zieht und im Schnitt ganz einfach eigene Dramen kreieren kann, ohne dass man als Kandidatin darüber Kontrolle hat?
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Sind alle Kandidatinnen bei „Der Bachelor“ eine Schande für die Empanzipation?
Während ich mal eine Folge schaute, bei der sich „die Ladys“ im Bikini vor laufender Kamera anzickten (es ging um ein Handtuch, das eine Kandidatin der anderen geklaut hatte), fragte ich mich: Ist das eine Schande für die Emanzipation oder genau das Gegenteil?
Natürlich ist es leicht, alle Kandidatinnen in den Topf „dumm, mediengeil und unemanzipiert“ zu werfen, während man auf der heimischen Couch fläzt. Doch eigentlich kennzeichnet eine emanzipierte Frau doch vor allem das: Dass sie frei und selbstbestimmt entscheidet, was sie trägt, sagt und tut.
Wenn es ihr Wunsch ist, sich mit Geschlechtsgenossinnen in einem Mix aus Glitzer-Materialschlacht, Klischee-Hölle und Dauerwerbesendung in einer Urlaubskulisse zu bekriegen, dann ist das doch eigentlich ihr gutes Recht oder?
Mit Sicherheit würde ich die Sendung meiner Tochter nicht ans Herz legen, wenn es um die Suche nach dem potenziellen Traummann geht. Die Bilanz der vergangenen Sendungen gibt mir da ja Recht, denn bisher es hat es kaum ein Paar geschafft, die Beziehung langfristig in die Realität zu retten. Nach einigen Auftritten bei roten Teppichen für Lebkuchen-Lambertz und Co. war meistens Schluss.
Den Kandidatinnen, die das Format wirklich für eine realistische Möglichkeit halten, ihren Traummann zu finden und gleichzeitig ihre Würde zu wahren kann ich nur sagen: Denk‘ nochmal genau über dich und deinen Selbstwert nach, bevor du dir vor einer Filmcrew die Zunge in den Hals stecken lässt. Vor der Suche nach der „großen Liebe“ sollten diese Frauen zunächst die Liebe zu sich selbst finden.
Und zu den anderen, die so eine Sendung nur aus Kalkül besuchen: Wenn dich Instagram-Fans und Diskotheken-Besuche glücklich machen, go for it! Aber wirklich erstrebenswert ist so ein Verhalten für mich persönlich nicht und der Ruhm nach „Der Bachelor“ hält in den meisten Fällen kaum länger als die Rose, die der Protagonist melodramatisch verteilt.
Bild: Erika – stock.adobe.com
Der Beitrag erschien erstmalig 2019 auf www.beautypunk.com
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