Alle reden im Frühling von Detox, Cleansing und Co. und neben dem Frühjahrsputz für den Körper steht auch noch der im Haushalt an. Ich verzichte auf diese Neustart-Euphorie. Mein „Spirit Animal“ im Frühling ist eher ein Nacktmull.
„Starten Sie jetzt Ihre Frühlings-Detox-Kur!“ springt mir ab Ende Februar aus diversen Newslettern oder Magazinen entgegen. Auch im Fernsehen will man uns weismachen: Die neue Saison schreit auch nach Erneuerung bei uns. Das fängt mit Kosmetik an, die uns optisch etwas auffrischen soll. Schließlich lagen wir im Winter wie blinde Nacktmulle in unseren Höhlen, oder? Das sind übrigens wirklich hässliche Tiere und natürlich scheren sie sich nicht darum. Denn, anders als wir Menschen, beschäftigen sie sich nicht mit der eigenem Selbstoptimierung nach dem Kalender.
Damit will ich nicht allen Kosmetika oder Entgiftungskuren ihren Sinn und Effekt absprechen. Ich selbst bin leidenschaftliche Make-up-Sammlerin und habe schon mal Fasten getestet (dann aber schnell festgestellt, dass ich Essen schon sehr liebe). Allerdings ist die Werbeoffensive im Frühling überfordernd. Denn wir sollen den Frühjahrsputz ja nicht nur an und in uns selbst betreiben, sondern auch noch in unserer Wohnung. Nun sind wir Frauen bekanntermaßen multitaskingfähig. Trotzdem löst das Bild, mit einer Detox-Maske auf dem Gesicht putzend durch die vier Wände zu wirbeln, keine Begeisterung in mir aus. Das mag daran liegen, dass meine „Hausfrauenqualitäten“ generell eher im niedrigen Bereich angesiedelt sind. Vor allem aber mag ich es nicht, mir mehr oder weniger subtil sagen zu lassen: „So, Jessica, jetzt musst du aber mal wieder ein bisschen Detox machen und den Haushalt auf Vordermann bringen“. Ich bin mir übrigens fast sicher, dass die Großputzaktion im Frühling von einer übereifrigen schwäbischen Hausfrau erfunden wurde. Aber inzwischen müssen wir ja bitte überall für Sauberkeit und Ordnung sorgen: Auch den Kopf sollen wir durch regelmäßige Meditation befreien. Wer das nicht gut kann, weil er wie ich nie ganz abschalten kann, hat schlechte Karten.
Wer Spaß am großen Frühjahrsputz hat (in der Wohnung, am Körper und im Kopf), darf sich diesem mit Freude widmen. Aber gerade wenn es um Produkte und Dienstleistungen geht, sollten wir hinterfragen, ob der versprochene Effekt nicht eher ein Konstrukt aus dem Marketing ist. Ich bin in dieser Hinsicht eine echte Rebellin und zünde meine „Frühlingskerze“ im Winter an oder lege die „Spring Detox“ Maske im Sommer auf. Viele Bezeichnungen und Botschaften haben nämlich nur ein Ziel: Sie sollen verkaufen. Ich halte es daher manchmal lieber wie mein hässliches #spiritanimal, der Nacktmull: Schön in der Höhle bleiben und die Selbstoptimierung den anderen überlassen. (jwn)
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Die Kolumne erschien erstmalig im April 2023 im PiG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen
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