Mit unserer Kleidung drücken wir unsere Persönlichkeit aus. Aber ist es irgendwann peinlich, Bandshirts und Co. zu tragen?
Mein Mann (Anfang 40) steht vor mir und auf seiner Brust prangt ein blutüberströmter Totenkopf, dem Schlangen aus den Augenhöhlen kriechen. „Ist das ok fürs Büro?“, fragt er lachend. Natürlich wissen wir beide, dass das ein Scherz ist. Aber trotz seines eher konservativen Jobs als Ingenieur hat sich seine Liebe zu Bandshirts mit teilweise hohem Trash-Charakter inzwischen auch von der Freizeit in die Arbeit verlagert. Zwar bleiben die allzu krassen Varianten von Death Metal Bands im Schrank, aber etwas alltagstauglichere Modelle mit Totenkopf und Co. trägt er inzwischen regelmäßig auch außerhalb der Freizeit. Und wieso auch nicht? Die Zeiten, in denen Tattoos verboten und Hemd und Krawatte Pflicht waren, sind zum Glück in den meisten Jobs vorbei. Dennoch gibt es unabhängig von der Frage des „Wo“ auch noch die Frage des „Wann“. Um genau zu sein: Gibt es ein Alter, in dem es peinlich ist, Bandshirts und Co. zu tragen? Sind wir dann die zwanghaft Junggebliebenen, die sich nicht eingestehen wollen, dass ihre wilden Tage vorbei sind?
Ein ganz klares Nein von mir. Kleidung drückt unsere Persönlichkeit und unseren Geschmack aus und die ändern sich ja nicht zwangsläufig mit dem Alter. Bandshirts setzen obendrauf noch ein klares Statement: Diese Musik höre ich, das gefällt mir. Ich glaube, wir kennen alle das Gefühl, irgendwo jemanden mit einem Shirt einer Serie oder einer Band zu sehen und sich sofort verbunden zu fühlen. Ein kurzes Zunicken auf Konzerten, wenn ich einen Gleichgesinnten entdecke, der diese unbekannte Ska-Band aus Italien kennt. Ein vielsagendes Lächeln in einer fremden Stadt, weil die Frau in der U-Bahn offenbar Fan meiner Lieblingsserie ist. Wir fühlen uns bestätigt und als Teil eines erlesenen Kreises von Menschen mit dem besten Geschmack – nämlich unserem!
Letzten Endes sind Bandshirts (wenn sie von echten Fans getragen werden) für mich nichts anderes als ein textiles Symbol der Authentizität, das in der oft so gleichförmigen Welt ein Zeichen setzt. Es sagt: Das gefällt mir, das unterstütze ich, unabhängig von Trends oder Erwartungen. Außerdem tragen wir sie, weil wir positive Erinnerungen und Ideale damit verbinden. Die deutsche Punkrock Band North Alone drückt es in ihrem Song „Extralarge“ passend aus:
„And if the shirt does not fit, I don’t care. I needed it ‚cause it reminds me of the days when I was young. It helps me not to forget I‘ve got nothing to regret. No matter how old I become I’ll be a punk.“
Die Kolumne erschien erstmalig im September 2021 im PIG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen.
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