Einmal lila Haare, bitte! Streaming-Dienste sind inzwischen unsere Entertainment-Konstante und liefern neue Styling-Vorbilder: Serienfiguren
Ich bin bekennender Serienjunkie und das nicht erst seit Corona. Die Pandemie und das immer schmaler werdende Freizeitangebot haben dem TV-Konsum aber noch mal einen ordentlichen Push gegeben. Tipp: Schaut mal in eueren Statistiken nach, wie viel Zeit ihr die letzten Monate mit Netflix und Co. verbracht habt. Da gibt’s vielleicht so manche Überraschung. Jeder, der ein Faible für Serien hat und so die Stunden vor der Glotze herunterreißt, kennt wahrscheinlich dieses Phänomen: Wir identifizieren uns mit jeder Folge mehr mit den Charakteren, haben Lieblinge und Hassobjekte. Und die müssen nicht zwangsläufig von Regisseur und Erzählung so vorgegeben sein.
Neben der langsamen Entwicklung von Sympathie „schockverliebt“ man sich aber auch manchmal in eine Figur, deren Charakter und Optik. So war es bei mir mit „Sky Rojo“ – einer spanischen Serie auf Netflix, in der sich drei Prostituierte in bester Quentin Tarantino-Manier aus dem Bordell befreien und auf eine eindrucksvolle Flucht begeben. Ihre Route ist dabei gepflastert von persönlichen Dramen, aberwitzigen Gewalttaten und genialen Outfits – alles gebettet in eine messerscharfe Ästhetik aus Leder, Neon und Glitzer. Die strahlend lila Haare der Hauptfigur Coral haben es mir besonders angetan: In Kombination mit Netzstrümpfen, Glitzertop und Pumps präsentiert sie einen gleichermaßen coolen wie sexy Look, der genauso knallt wie die Waffen in der Serie.
Fiktiven Figuren nachzueifern ist natürlich keine Neuheit. Für Fans von Animes sowie in der Fantasy- und Sci-Fi-Szene ist das Cosplay (aus dem Englischen: Costume Play – „Kostümspiel“) schon lange ein beliebtes Hobby. Doch während komplette Kostüme mehr dazu dienen, vollständig in eine andere Rolle zu schlüpfen, können Serienfiguren auch nur Anleihen und Nuancen liefern. Wir können Schmuck, Outfits oder Make-up, die an den Lieblingscharakter erinnern, wie eine popkulturelle Widmung tragen. Eine, die vielleicht nur Insider verstehen und die als neue Facette fließend in den eigenen Geschmack übergeht. Wer sich dabei aus der eigenen Komfortzone wagt und neue Grenzen auslotet, bringt nicht nur Abwechslung in seinen Alltag, sondern kann auch etwas vermeintlich Widersprüchliches vereinen: Authentizität und Imitation. Ich plane auf jeden Fall fest, bei meinem nächsten Friseurbesuch zu sagen: Einmal lila Haare, bitte! (jwn)
Die Kolumne erschien erstmalig im Mai 2021 in der digitalen Ausgabe des PIG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen.
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