Passt ein Dresscode noch zum Zeitgeist? Wie mir Jeans und Hoodie den Zugang zu einer Bar in Oslo verwehrten
Wir sind offen, divers und tolerant. In unserer modernen Gesellschaft hat meiner Wahrnehmung nach ziemlich jede:r Platz, auch wenn es natürlich immer noch Potenzial zur Verbesserung gibt. Zumindest was unsere Garderobe angeht, würde ich uns im westlichen Europa aber doch als ziemlich liberal bezeichnen. Statt Krawatte und Anzug gehören Sneaker und Hoodie schon lange zur neuen Garderobe der CEOs, spätestens seit dem Start-up-Boom. Doch genau diese lässige Kleidung sollte mir und meinem Mann beim Besuch einer Bar zum Verhängnis werden.
Während einer unserer wenigen Kurztrips, die wir während Corona machen konnten, hatten wir ein Hotel in Oslo gebucht. Dieses ist mit seinen 117 m Höhe Norwegens höchstes Gebäude und das zweithöchste Skandinaviens. Da bot es sich natürlich an, eine schicke Rooftop Bar einzurichten, damit die Gäste die geniale Aussicht bei ein paar Cocktails genießen können. Diese Gelegenheit wollten auch ich und mein Mann vor einem Konzertbesuch nutzen. Naiv standen wir also vor dem Eingang der Bar, gekleidet in Jeans, Hoodie und Lederjacke. Die überraschende Begrüßung des Mitarbeiters war: „Sorry, we have a dresscode. No hoodies!“. Ich dachte, das sei ein Scherz. Schließlich waren wir hier nicht nur im modernen Europa, sondern noch dazu im fortschrittlichen und lässigen Norwegen.
Doch obwohl wir zahlende Gäste des Hotels waren, wurde uns mit unserer legeren Kleidung kein Zutritt gewährt. Ich fand das so lächerlich und elitär, dass ich über das grundlegende Prinzip von Dresscodes nachdachte. Ich finde, es gibt Anlässe, bei denen eine Kleiderordnung Sinn macht. Meistens dann, wenn ein festlicher, besonderer Termin ansteht. Bei Hochzeiten, Theater- oder Opernbesuchen ist es meiner Meinung nach auch ein Ausdruck der Wertschätzung und des Respekts, nicht in seiner Alltagsklamotte aufzulaufen. Zudem gibt ein vorgegebener Dresscode auch Sicherheit und ist eine Entscheidungshilfe. Anders sieht das für mich in einer Bar aus, die für ein lockeres, geselliges Beisammensein steht.
Den Dresscode in diesem Hotel empfand ich als unnötiges Relikt, das mir letztlich nur eines sagte: In dieser Bar ist nur die vermeintliche Elite willkommen. Dann gehöre ich doch lieber zur Subkultur. (jwn)
Die Kolumne erschien erstmalig im Januar 2022 im PIG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen.
Bild: Olesia Bilkei – stock.adobe.com
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!