Die Maske gehört inzwischen zum Alltag. Die Kosmetikindustrie reagiert mit „maskenechten“ Lippenstiften. Ist das cool oder dämlich?
Aktuell dominiert das Thema Corona immer noch die Schlagzeilen. Die roten Teppiche sind eingemottet, Runways gibt es nur virtuell und Make-up mit Maske ist auch irgendwie blöd. Ich habe jedenfalls gefühlt mein halbes Gesicht im Stoff hängen, wenn ich die Maske abends abnehme – und ich trage keine Kriegsbemalung. Vielleicht erinnert ihr euch auch daran, als ihr dieses inzwischen so alltägliche Accessoire das erste Mal aufgesetzt habt? Ich habe damals und noch oft danach aus Gewohnheit Lipgloss aufgelegt, als ich das Haus verlassen wollte. Dann fiel mir auf, dass das mit dem neuen „Must-have“ ziemlich sinnfrei war. Während Herpes-Geplagte der neuen Verhüllung sicherlich etwas Positives abgewinnen können, fehlt einigen Frauen plötzlich etwas. Diese Sehnsucht nach dem gewohnten Lippen-Make-up steht selbstverständlich in keinem Verhältnis zur Sinnhaftigkeit der Maske. Dennoch hätte es seinen Reiz, wenn man beides vereinen könnte.
Das dachte sich wohl auch die Kosmetikindustrie, denn vor Kurzem habe ich in einer Drogerie etwas entdeckt: In den manchmal endlos wirkenden Gängen, in denen sich Kosmetik aneinanderreiht, prangte an einem Regal mit Lippenstiften ein Maskensymbol, zusammen mit dem Wort „maskenfest“. Ich war belustigt und beeindruckt zugleich. Eigentlich ist das sehr geschäftstüchtig, aber ich fragte mich auch, worin der Unterschied zum klassischen „kussfest“ lag. Dieses Adjektiv hat sich nach meiner Erfahrung übrigens noch kein Lippenstift verdient. Ich könnte mit knallrotem Lippenstift jedenfalls nicht befreit knutschen. Doch zurück zur vermeintlichen Lippenstift-Innovation: Ich finde es normal und aus Sicht der Kosmetikfirmen auch wirtschaftlich sinnvoll, auf die Pandemie einzugehen. Schließlich gibt es inzwischen auch ganze Tutorials rund um maskengerechtes Make-up. Letztlich kann für mich aber bei jedem Produkt nur eines über dessen Sinnhaftigkeit entscheiden: der Praxistest. Solange es also kaum Gelegenheiten gibt, die Maske abzusetzen und seinen maskenfesten Lippenstift zu präsentieren, ist er lediglich ein Trendprodukt. Nice-to-have, aber kein Must-have! (jwn)
Die Kolumne erschien erstmalig im Januar 2021 in der digitalen Ausgabe des PIG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen.
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