Der Sommer ist da und damit der mediale Schrei nach dem Bikini Body, genauso wie das Body Positivity-Diktat. Ich finde, wir sollten beides ignorieren!
Dass wir Frauen es nicht einfach haben, ist kein Geheiminis. Sorry, liebe Männer, ich weiß, ihr habt auch eure Herausforderungen. Aber wenn es um Körpergefühl- und -wahrnehmung geht, befinden wir Frauen uns spätestens ab dem Teenager-Alter in einem Strudel aus (Selbst)Kritik, Bewertung und Vergleichen. Veraltete „Frauenzeitschriften“ mit widersprüchlichen Inhalten („So verlieren Sie 5 Kilo in 10 Tagen“ auf Seite 10, „Lieben Sie sich so, wie Sie sind!“ auf Seite 20) und die Modeindustrie ohne einheitliche Größenstandards helfen auch nicht.
Doch während wir uns früher „nur“ mit der Frage beschäftigen mussten, ob wir vielleicht zu dick für den Bikini sind oder zu viel Cellulite für die Shorts haben, gibt es seit Kurzem eine weitere Herausforderung: Der Ruf nach Body Positivity. Die an sich begrüßenswerte Bewegung wurde in den letzten Jahren so medial ausgeschlachtet, dass sie ironischerweise einen neuen Komplex fördert: Was, wenn ich mich nicht immer und überall zu 100 % schön finde? Was wenn ich dem Motivations-Imperativ „Love yourself!“ an manchen Tagen nur Zweifel entgegensetzen kann?
Sicherlich hat dieser Wandel vielen Frauen geholfen, aber durch die permanente Betonung in Zeitschriften, den sozialen Medien und im TV wird daraus für mich nur ein neuer Zwang. In meinem Instagram Feed begegnen mir Beiträge mit Hashtags wie #celluliteistnormal – oft von Frauen, bei denen von den ungeliebten Dellen nichts zu sehen ist. Dehnungsstreifen sollen wir feiern wie Pokale einer körperlichen Leistung, Reiterhosen sind ein Zeichen dafür, dass wir „normale Frauen“ sind. Versteht mich nicht falsch, ich finde die Bewegung lobenswert, aber ich würde mir wünschen, dass wir das Normale nicht immer so betonen müssten. Warum posten wir „unperfekte“ Bikinifotos nicht ohne trendigen Hashtag? Warum veröffentliche Zeitschriften Kampagnen nicht ohne Headlines wie „Feiere deine Makel!“? Erstens kann und möchte das nicht jede Frau und zweitens fördern wir durch diese (wenn auch positive) Hervorhebung nur, dass vermeintliche Schönheitsfehler weiterhin als solche wahrgenommen werden. Als etwas Abnormes, dessen Veröffentlichung wir mit einer pseudo-tiefgründigen Botschaft rechtfertigen müssen.
Also ja, lasst uns unsere Kurven, Dehnungsstreifen und Corona-Kilos lautstark feiern, wenn wir wollen. Aber erlaubt uns auch, selbstkritisch zu sein und Dinge optimieren zu wollen, ohne uns wie eine Verräterin am eigenen Geschlecht zu fühlen.
Die Kolumne erschien erstmalig im Juli 2021im PIG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen.
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