Ich finde den Begriff „alte weiße Männer“ problematisch. Bin ich deshalb eine unemanzipierte Geschlechtsverräterin?
Mit diesem Text mache ich mir wahrscheinlich einige Feindinnen. Aber ich gebe es zu: Mir stößt der Begriff „alte weiße Männer“ schon lange negativ auf. Ich weiß nicht, wann und wo ich ihn zum ersten Mal gelesen habe. Auf jeden Fall begegnet er mir seitdem immer wieder, und zwar immer im Kontext à la „die Schreckensherrschaft der alten weißen Männer.“ Ich weiß, dass es ein Ritt auf der Rasierklinge ist, die Wortwahl gerade als Frau zu kritisieren. Schließlich bin ich vermeintlich doch selbst Opfer dieses Systems und wenn nicht, muss ich mich doch zumindest solidarisieren. Das Problem an dem Begriff ist für mich, dass er inzwischen inflationär gebraucht wird und in den gängigen Sprachgebrauch übergegangen ist.
Was mich daran stört? Der Ausdruck macht genau das, was er eigentlich kritisiert: er pauschalisiert, diskriminiert und würdigt herab. Der alte weiße Mann ist zum Synonym für das böse Patriarchat geworden. Die Reduzierung von Männern auf äußere Merkmale ist hier in Ordnung, weil wir etwas anprangern? Wieso muss diese Diskussion mit dem Bashing einer ganzen Gruppe von Männern zusammenfallen? Ich will damit nicht kleinreden, dass viele Strukturen problematisch sind und bekämpft werden müssen. Ich persönlich hatte und habe aber in meinem Berufsleben mit einigen „alten weißen Männern“ zu tun und wurde immer fair und respektvoll behandelt. Und wenn nicht, lag es daran, dass das Arschloch halt nur zufällig ein männliches war. Die Beleidigung der Männer durch den Begriff ist aber nur eine problematische Seite. Die andere ist, dass er meiner Meinung nach die wichtige Botschaft mit Negativität überschattet. Ein pauschales Feindbild zu schaffen, hilft natürlich, um politische und gesellschaftliche Kritik zu üben. Ich verstehe auch, dass die Diskussion naturgemäß sehr emotional geführt wird. Wut und Hass haben aber noch nie zu einem konstruktiven Austausch geführt und an machen Stellen ist dieser auch gar nicht mehr möglich und gewollt.
Aber wenn wir Frauen einen Platz am Tisch wollen, müssen wir vielleicht für die alten weißen Männern zumindest einen Stuhl im Raum lassen, anstatt ihn wutentbrannt aus dem Fenster zu werfen.
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Die Kolumne erschien erstmalig im März 2022 im PiG Stadtmagazin Böblingen/Sindelfingen
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