Liebe macht nicht blind, sondern dumm! So ist es doch anhand zahlreicher Beispiele, sowohl bei prominenten als auch bei alltäglichen Mitmenschen (mich selbst eingeschlossen) erwiesen, dass man im Zustand der Verliebtheit einen Abbau der eigenen Fähigkeit zum logischen Denken und Handeln billigend in Kauf nimmt. Natürlich beobachtet man keinen klassischen nachweisbaren Abbau des Intellekts im wissenschaftlichen Sinne, sondern eher eine Art unbewusste Veränderung des eigenen Charakters. Tatsächlich macht einen die Liebe also ein bisschen dumm und anders.
„Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, sang schon Jürgen Marcus und wenn man sich selbst und andere einmal kritisch beobachtet, wird man feststellen, dass dieser simple Satz tatsächlich auf teilweise erschreckende Weise zutrifft. Es ist längst bekannt, dass das Verliebtsein uns in einen Hormonrausch versetzt, der mit klassischen Drogen zu vergleichen ist. Wenn man diese „Droge auf zwei Beinen“, das Objekt der Begierde also gierig schluckt, lässt man sich ein auf eine Fahrt auf der Achterbahn der Gefühle ein. Bei diesem turbulenten Fahrmanöver passiert es dann scheinbar spielend, dass man sich bis an die Grenzen des Ekels verändert und dass alles auch noch gut findet. Noch fast jeder, der Kosenamen „abstoßend“, „kindisch“ oder „kitschig“ fand, erwischt sich früher oder später dabei, wie er im Supermarkt lauthals nach seinem „Schaaaatz“ ruft. Das sind dann oft die Momente der bittersüßen Erkenntnis: Man ist gefangen in der Idiotie zu zweit – und es ist ein aus eigener Hand gebautes Gefängnis, in das man eigentlich nie kommen wollte und nun nicht mehr ausbrechen will. Spätestens, wenn man diesen Punkt der Erleuchtung erreicht hat, kann man sich sicher, sein, dass der Partner an seiner Seite tatsächlich der richtige ist. Es ist dieses Paradoxon der gleichzeitigen Anwesenheit vom absoluter Scham vor dem eigenen Handeln und dem Genuss des selbigen. Die eigene Willensstärke, von der man dachte, sie wäre so stark und unbeugsam, wird durch die Macht der Gefühle gebrochen wie eine winzige Salzstange im Gebiss eines gefräßigen Monsters. Man grinst den anderen an, dieser grinst wiederum zurück und manchmal grinst man auch sich selbst oder fremde Menschen an. Letztere halten dich dann entweder für geistesgestört oder – noch schlimmer – durchschauen dich und sind von so viel debiler Verliebtheit angewidert.
Natürlich bricht nicht jeder Liebesvulkan in derselben Art und Stärke aus und es gibt zahlreiche verliebte Paare, die sich nach wie vor cool und distanziert zeigen. Und erstaunlicherweise kann man auch im Zustand absoluter und wesensverändernder Verliebtheit denselben emotionalen Status bei Mitmenschen absolut widerlich finden. So hängt das persönliche Empfinden gegenüber gleichgesinnten Menschen im Hormonrausch doch stark von der Deckungsgleichheit der emotionalen und körperlichen Freigiebigkeit ab. Auch wenn man gerade selbst auf Wolken geht und schon mit den Gedanken an den Anderen aufwacht (ja, weil die sich vom Abend an im Hirn verschanzt haben), kann man einen ernsthaften Würgereflex empfinden, wenn man Zeuge einer öffentlichen Knutschorgie wird. Das liegt dann an der selbst definierten „Paarzone“, also dem Bereich, indem man seine Partnerschaft (inklusive Köperlichkeit) ungezwungen auslebt. Bei einigen endet diese Zone am großelterlichen Kaffeetisch, bei anderen eben erst auf demselbigen.
Nichtsdestotrotz eint alle glücklich verliebten Paare eben diese eine auffälige Unfähigkeit, die Logik (also die Lehre des vernünftigen Schlussfolgerns) in ihren Handlungen konstant umzusetzen. Der abgebrühteste Rationalist wurde schon zum Romantiker, der Partyhengst zur Couchpotatoe, die Zicke zum sprichwörtlichen frommen Lamm. Doch während der Zyniker hier lediglich schwache Charaktere wittert, hat diese Idiotie in der Liebe doch auch einen positiven Hintergrund: Ein Mensch, der sich nie verändert ist nämlich bei Weitem nicht perfekt geboren, sondern hat eventuell einfach nicht den Mut, sich für den Einfluss anderer Menschen zu öffnen. Stattdessen belässt er es bei der einseitigen Liebe zu sich selbst.
Wenn man sich aber eventuell in seinen Eigenschaften beeinflussen lässt und idiotische Dinge tut, die man früher nie in Erwägung gezogen hätte, zeigt das doch, dass man unter sieben Milliarden Menschen einen gefunden hat, den man so toll findet, dass er die Nachahmung wert ist. Und die ist schließlich immer noch die höchste Form der Anerkennung!
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!