Der Mensch ist ein willensschwaches Individuum, vor allem wenn es um die Reize der kunterbunten Konsumwelt geht. Ich persönlich bin selbst ein Paradebeispiel für ein Phänomen, das sich regelmäßig im Alltag zeigt. Dieses offenbart sich genau dann, wenn man zu viel Zeit und damit Langeweile hat. Hier eine exemplarische Schilderung: Man schlendert gedankenverloren durch die Einkaufspassage, eigentlich wohl gesättigt und auf dem Weg zur U-Bahn-Haltestelle. Im nächsten Moment ertappt man sich dabei, wie man dem netten Mann beim Döner-Imbiss voller Überzeugung „Mit allem bitte“ entgegenruft. Dann steht man da mit diesem reichhaltigen „Snack“ ohne dass man vor fünf Minuten auch nur daran gedacht hätte, sich mal eben mit Kalorien im vierstelligen Bereich zu verwöhnen. In Hinblick auf Kulinarisches kann ich dieses Phänomen bei mir sehr oft beobachten. Schickt mich in eine „Fressmeile“ und ich werde definitiv irgendwo fündig- ganz ohne definitives Hungergefühl. Alle Gedanken an den Vorsatz, sich gesünder zu ernähren, vielleicht sogar ein paar Kilo zu verlieren sind wie weggeblasen wenn sich nur die Gelegenheit bietet schwach zu werden!
Doch nicht nur bei Nahrung kann die Gelegenheit Sünde schaffen, auch bei diversen anderen Konsummitteln krallt sich dieser Dämon der Verführung in den freien Willen. Das beste Beispiel ist bei Rauchern wie mir immer noch die „Haltestelle-Zigarette“. Man wartet auf das öffentliche Verkehrsmittel seiner Wahl, hat noch zwischen fünf und zehn Minuten Zeit und reflexartig geht die Hand zur Zigarettenschachtel. Was sollte man auch sonst mit dieser Zeitspanne anfangen? Also erstmal eine Rauchen! Dieses Phänomen funktioniert genauso in einer inspirierenden Gesellschaft. So mutiere ich vom eigentlich mäßigen Raucher in der Gruppe schnell mal zum Typ „Kettenraucher“. Dieses Verhalten hat seine Ursprünge eventuell in dem evolutionsbiologischen Nachahmungseffekt. Mensch sieht, dass andere aus der „Herde“ zum entsprechenden Konsummmittel greifen, also muss ich es meinen Genossen gleichtun. Freier Wille und Selbstkontrolle war gestern!
Ich würde aber sogar so weit gehen, dass sich dieses Verhalten auch auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen lässt. So kann es durchaus vorkommen, dass man ohne entsprechende Absichten eine Party besucht und sich zu vorgerückter Stunde in einer leidenschaftlichen Knutscherei mit einem anderen Gast wiederfindet. Selbstredend, dass einem dieser überhaupt nicht aufgefallen wäre, wenn die Zeit nicht schon so vorgerückt und die Gelegenheit eben so günstig wäre. Das macht einen natürlich nicht zum willenlosen Objekt, das sich blind in jeden Sündenpfuhl begibt, doch würde man die ein oder andere Entscheidung mit etwas Abstand und Vernunft vielleicht anders treffen. Stattdessen lassen wir uns beeinflussen, von Werbemaßnahmen, Gerüchen, Schnäppchenpreisen und dem inneren Monolog, in dessen Zentrum die rhetorische Frage steht: „Wieso eigentlich nicht?“. Würde ich die gekauften Artikel in meinem Leben, die ich aus Langeweile und schlichtem Überschuss an Zeit gekauft habe addieren, es wäre bestimmt eine erschreckend hohe Summe.
So kommt es immer wieder dazu, dass die Einkaufstüten und der Magen einen größeren Inhalt aufweisen als geplant, dass man mehr raucht oder trinkt als gesund und eventuell Bekanntschaften macht, die nur durch die gemeinsame Schnittmenge aus Langeweile und Unvernunft entstehen. Doch immerhin macht man dabei gelegentlich auch Neuentdeckungen, die ohne die zufällige Gelegenheit vorbeigezogen wären oder man macht bei einem Impulskauf das Geschäft seines Lebens. Am Ende des Tages habe ich persönlich gelernt, diesen unvernünftigen, nicht logisch begründbaren Handlungen ihren Raum in meinem Leben zu lassen. Vielleicht bin ich ja dadurch willensschwach, ein Opfer des Konsums und leicht beeinflussbar, aber leider macht sündigen manchmal auch verdammt viel Spaß!
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