Disclaimer: Die Geschichte ist natürlich rein fiktiv.
Der Schweiß rinnt mir von der Stirn, die Tasten gleiten mir inzwischen unter den Finger weg. Meine Augen sind nur noch schmale Schlitze, in die sich das grelle Licht des Bildschirms drängt. Morgen ist die Deadline und ich habe den Startseitentext für den Handwerksbetrieb noch nicht mal angefangen. Redbull und Kaffee haben längst keine Wirkung mehr. Ich hasse diese Tage, denn sie kommen immer, wenn die Deadline mir im Nacken sitzt. Plötzlich fällt es mir ein: das Lesezeichen in meinem Browser. Ich habe es nach ganz unten in gepackt, fast schon versteckt: ChatGPT. Als der ganze KI-Wahnsinn aufkam, dachte ich mir: Als gute Selbstständige muss ich mir die „neue Konkurrenz“ zumindest mal anschauen. Kenne deine Feinde und so. Genutzt habe ich es natürlich nie. Doch jetzt, mit dem Schlafentzug in den Knochen und einer sich ankündigenden Migräne lockt der digitale Text-Butler auf verführerische Art.
Mehr ferngesteuert als bewusst gebe ich einen Befehl mit Schlagworten ein (Prompt nennt sich das wohl) und wie von Zauberhand schreibt der Textroboter seine Zeilen. Ich bin schockiert und spüre eine Mischung aus Erleichterung und Wut: Endlich stehen da Worte statt nur der Hohn des blinkenden Cursors. Und wieso kriegt das diese Software hin und ich nicht? Wahrscheinlich, weil sie keine Emotionen und kein Leben hat. Ich denke mir: „Es kann als Inspiration nicht schaden.“ und kopiere den Text in mein Dokument. Und tatsächlich flutscht es von da an fast wie von selbst. Die Worte fließen nur so von den Tasten. Als ich den letzten Punkt betont dramatisch in die Tastatur hämmere, bin ich stolz: Das liest sich gut und den trockenen Roboter-Text von ChatGPT lösche ich sofort – weil Floskelalarm. Um 2:15 Uhr geht der Text an den Kunden raus. Noch bevor ich zerdenken kann, ob die Uhrzeit unprofessionell wirkt, falle ich in mein Bett und in einen sehnsüchtig erwarteten Schlaf.
Mit einem „Pling“ werde ich am nächsten Morgen von Outlook geweckt und sehe, dass ich schon eine Antwort vom Kunden habe. „Hallo Jessica, danke für deinen Text. Irgendwie fehlt uns da die persönliche Note. Es sind zwar alle Infos drin und er ist fehlerfrei, aber er wirkt ehrlich gesagt etwas austauschbar. Und eins hat uns gewundert: Du meintest ja im Vorgespräch, du hast eine Allergie gegen Floskeln. Kannst du bitte diese Headline „Wir sind als Unternehmen der Hammer!“ für die Startseite ändern? Ich schieße wie ein Pfeil aus dem Bett und hetze zum PC. Mir wird heiß und kalt zu gleich und dann die Erkenntnis: Ich hatte den falschen Text gelöscht und meinem Kunden die ChatGPT-Variante geschickt. Ich entschuldige mich und schreibe, dass ich mich in der Datei vertan habe und es sich um eine Art Brainstorming-Entwurf handelt. Meinen eigenen Text hänge ich an und der wird direkt angenommen.
ChatGPT bin ich trotzdem dankbar für den Einsatz als Sparringspartner während meiner Schreibblockade. Nicht mehr und nicht weniger. Aber ich werde meinen „Feind“ beobachten, denn er lernt dazu.
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